ERNST LANGE
Der Pfarrer
Der Kirchenreformer
Der Lehrer
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Ernst Lange, der Kirchenreformer

 

Die kritisch-konstruktive Mitarbeit in seiner Evangelischen Kirche, wie er sie auf seinen jeweiligen Arbeitsfeldern vorfand, inspirierte Ernst Lange zu lebhafter Mitarbeit und Anteilnahme am kirchlichen Leben.

 

Von Anfang an sah er - nach einem überraschenden Entschluss zum Theologiestudium - seine Mitarbeit in der Kirche als Verantwortung gegenüber der gesamten Gesellschaft. Für die unmittelbaren Nachkriegsjahre, in denen er als Student und junger kirchlicher Mitarbeiter begann, bedeutete dies von Anfang an einen politischen Beitrag zu Friedenserhaltung und Wiederaufbau sowie einen sozialen Neuaufbruch im Kontext des gesellschaftlichen Wandels in der kriegszerstörten Großstadt. V.a. für die junge Generation versteht sich Ernst Lange, früh von den Frauen und Männern der Bekennenden Kirche beeindruckt, als Sprecher des Neuanfangs einer Kirche, die das Trauma des Krieges für sich theologisch zu verarbeiten sucht. Seine Reden, u.a. die "Botschaft der Jugend" auf dem Kirchentag 1952 und gegen die Wiederbewaffnung in der Frankfurter Paulskirche 1955 haben nachhaltige Wirkung hinterlassen. Als Gründer des "Orbishöher Kreises" schuf er selbst eine Plattform für junge kirchliche Mitarbeiter und deren Reformideen. Seine missionarischen Ideen sind von einer starken Hinwendung zur Welt geprägt, die sich bei ihm auch von Anfang an in einer Hochschätzung des vielfältigen kulturellen Lebens niederschlug.

 

Sein bekanntestes Projekt bildete seine Tätigkeit als Pfarrer in der von ihm begründeten "Ladenkirche" in Berlin-Spandau. Dieses kirchliche Reformprojekt, in einem ehemaligen Bäckerladen eingerichtet, steht für einen der ersten programmatischen Versuche einer "Kirche im Alltag", die sich, anstatt sich selbst genügsam zu sein, mitten in die Wohn- und Arbeitswelt der Menschen begibt. Von ihr aus sollte die Zurüstung zum "Gottesdienst" im weithin entkirchlichten Alltag stattfinden. Aus dieser Arbeit heraus wurde Ernst Lange auf eine Professur als Praktischer Theologe an die Kirchliche Hochschule Berlin berufen, wo er Theologiestudierenden ein anspruchsvolles Programm anbieten wollte, das zu einer Wahrnehmung eines relevanten kirchlichen Handelns anleiten sollte. Obwohl dieses Programm bald über seine Kräfte ging, hat er damit Studierenden (auch nach seiner Zeit) zu einer nachhaltigen Prägung verholfen.

 

Die Ökumene, die Weltchristenheit über Konfessionsgrenzen hinweg, bezeichnete er als sein "Gelobtes Land" und verstand darunter, getreu der griechischen Wortbedeutung, die Gesamtheit der bewohnten Erde. Seine Bedeutsamkeit als Ökumeniker, der sich im Gefolge Bonhoeffers und seiner "Kirche für andere" verstand, liegt nicht nur in seiner Tätigkeit beim ÖRK in Genf oder seiner frühen Teilnahme an der Vollversammlung in Evanston, sondern gerade in seiner anhaltenden Bemühung, ein ökumenisches Bewusstsein in die ÖRK-Gliedkirchen, v.a. in die westdeutschen evangelischen Landeskirchen, hinein zu vermitteln. Seine ökumenischen Beiträge, u.a. zur Umsetzung des Antirassimus-Programms (PCR), zeigen, in welcher Weise Ernst Lange seinen Verantwortungsbegriff über die deutsche Gesellschaft hinaus wahrnehmen wollte. Seine westdeutsche Heimatkirche bezeichnete er als "westdeutsche Provinz der Weltchristenheit".

 

Ernst Lange steht in seiner späten Phase im Kontext der "Empirischen Wende"- seine theologische Hinwendung gerade zu den Humanwissenschaften ist ausgeprägt. Er nutzt soziologische Erkenntnisse, um den Mitgliedern der Evangelischen Kirche in Deutschland nahezukommen und ihre Perspektiven in Organisation der ersten großen EKD-Mitgliederbefragung zu erfragen, genauso wie die  Konflikttheorien von Coser und Dahrendorf zur Analyse und "Inszinierung" von Konflikten. Genauso baut er seine psychologischen-medizinischen Kenntnisse weiter aus, um auf die kirchliche Begrenzung des ursprünglichen Kirchturm-Denkens des "parochialen Gewissens" hinzuweisen oder "vor-theologische" Methoden in theologischen Diskussionen zu entlarven.

 

Durch seine Gedanken von "Kirche" hindurch zieht sich das Bemühen um eine nachhaltige theologische Interpretation der "Barmer Theologischen Erklärung" (1934) - und damit auch die Auseinandersetzung mit der Generation des Kirchenkampfes, gegenüber der er vermehrt eigene ekklesiologische Gedanken und Impulse zu stellen vermag - oder aber deren Gedanken weiterentwickelt.

 

LITERATUR:

 

Deml-Groth, Barbara / Dirks, Karsten (Hgg.): Ernst Lange weiterdenken. Impulse für die Kirche des 21.Jahrhunderts, Berlin 2007.

 

Heidenreich, Hartmut: "... eine Institution zum Verlernen des Lernens wird Kirche nie sein dürfen, denn das wäre ihr Ende" - oder: Kirchenreform als ökumenischer Bildungsprozeß. Zur Erinnerung an Ernst Lange, in: EB 43 (1997) 191-193

 

Liedtke, Kurt: Wirklichkeit im Licht der Verheißung. Der Beitrag Ernst Langes zu einer Theorie kirchlichen Handelns, Würzburg 1987.

 

Schmidt, Joachim: Parteilichkeit in der Volkskirche. Ein Beitrag zum Kirchenverständnis Ernst Langes, in: PTh 76, 12/1987.

 

Altenburg, Gerhard: Der Frühzeit trauen. Theologische Impulsfelder des jungen Ernst Lange, in: Pastoraltheologie 102. Jahrgang, Heft 2013/12, 507-521.


Altenburg, Gerhard: Kirche – Institution im Übergang. Eine Spurensuche nach dem Kirchenverständnis Ernst Langes [= Kirche in der Stadt, Bd. 21] (Theolog. Dissertation, Hamburg 2012), Berlin 2013.
http://www.ebv-berlin.de/epages/15494902.sf/de_DE/?ObjectPath=/Shops/15494902/Products/%22ISBN%20978-3-86893-122-8%22; eine Leseprobe findet sich unter: http://www.buchgestaltung-online.de/Leseproben/Leseprobe_Altenburg_ErnstLange.pdf)

 

 

 

 

 

 

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